In Mitteleuropa ist zwischen August und April am sogenannten „Winterhimmel“ ein sehr markantes Sternbild zu erkennen: der Orion („Jäger“). Dieser ist unter anderem gekennzeichnet durch zwei Sterne erster Größe: den roten Überriesen Beteigeuze (auch Alpha Orionis oder Alpha Ori) und den blau-weißen Überriesen Rigel (auch Beta Orionis oder Beta Ori). Beteigueze bildet ein Schulterstück des Jägers, Rigel das linke Fußstück. Rigel ist der siebthellste Stern am Nachthimmel mit einer scheinbaren Helligkeit von 0,13 mag und damit der hellste Stern im Orion. Die Bayer-Bezeichnung Beta Ori für Rigel ist zunächst irreführend, da Beteigueze nur der zehnthellste Stern am Nachthimmel ist. Allerdings ist Beteigueze als roter Überriese derart variabel, dass er zeitweilig Rigel überstrahlt.

Tunsel, Aurvandills Zehe oder Rijl Jauzah al Yusrā

Der Name „Rigel“ stammt aus dem Arabischen. Er ist abgeleitet von „Rijl Jauzah al Yusrā“, was so viel bedeutet wie „das linke Bein/der linke Fuß von Jauzah“, wobei Rigel für „Bein / Fuß“ steht und Jauzah den Namen der Orion-Figur wiedergibt. Der Name „Rigel“ ist als solcher 1252 in den Alfonsinischen Tafeln, des unter Alfons X. von Kastilien und León als Korrektur der Toledaner Tafeln verfassten astronomischen Werks, geführt. Gleichwohl tauchen immer wieder alternative Schriftweisen in der Nachfolgezeit auf, so beispielsweise „Regel“, „Riglon“ oder auch „Rigel Algeuze“.

Da Rigel zu den Himmelskörpern gehört, die hell strahlen und allein schon mit bloßem Auge zu sehen ist, findet sich Rigel auch etymologisch in anderen Kulturen wieder. Sogar in der nordischen Mythologie, der Edda, findet sich Rigel wieder. Der Sage nach trug der Gott Thor Aurvandill in einem Korb über einen Eisstrom. Ein Zeh Aurvandills ragte aus dem Korb und erfror. Thor brach ihn ab, warf ihn in den Himmel und es entstand ein Stern namens „Aurvandills Zeh“.

In China wurde Rigel als der siebte Stern (Shēnxiù Qī) des „Drei Sterne“-Asterismus (Oriongürtel, auch drei Könige oder drei Schwestern) bezeichnet. In Japan wurde Rigel als „Genji Boshi“ bezeichnet und für die Symbolik des Genji-Clans adaptiert. Bei den unterschiedlichsten Aborigines in Australien war Rigel auch benannt, je nach Region und Stamm als „Yerrerdet-Kurrk“, „Collowgullouric Warepil“ oder „Unumburrgu“ mit unterschiedlich hinterlegten Mythen. Die Maori bezeichneten ihn als „Puanga“. Ein Maya-Volk im südlichen Mexiko bezeichnete ihn als „tunsel“ oder auch „kleiner Specht“.

Rigel – Ein strahlender Gigant

Mithilfe des Satelliten Hipparcos (High Precision Parallax Collecting Satellite) konnte 2007 über eine überarbeitete Parallaxe eine Entfernung der Erde zu Rigel von 264 +/- 24 pc ermittelt werden. Dies entspricht (1 pc = 3,26 Lichtjahre) 860 +/- 78 Lichtjahren. Diese Entfernung ist damit um nahezu 100 Parsec kürzer als frühere spektroskopische Schätzungen aus dem Jahr 1982. Die hohe Fehlerspanne zeigt die Unsicherheit dieser Messmethode. Genauere Ergebnisse werden zukünftig zu erwarten sein, da die ESA mit der Sonde Gaia als Nachfolger von Hipparcos im Dezember 2013 eine Mission gestartet hat, die erneute Messungen mit 40fach höherer Genauigkeit durchführt. Dennoch: Mit dieser gewaltigen Entfernung ist es durchaus überraschend, dass Rigel so hell am Nachthimmel erstrahlt und gut zu erkennen ist.

Rigel, dies ist bereits ohne Hilfsmittel erkennbar, leuchtet bläulich-weiß (BV-Farbindex -0,03, UB-Farbindex -0,66; heißt: je kleiner der Farbindex, desto blauer, je höher, desto roter). Dies ist ein deutlicher Hinweis auf die hohe Temperatur Rigels. Rigel hat eine Oberflächentemperatur von 12.100 +/- 150 K und damit mehr als doppelt so hoch, wie die Oberflächentemperatur unserer Sonne. Als blauer Überriese gehört Rigel der Spektralklasse B8 Ia an. Seine Masse beträgt ungefähr 21 +/-3 Sonnenmassen, sein Radius ungefähr 109 +/- 12 Sonnenradien. Um dieses etwas bildlicher zu vergleichen: Würde Rigel im Zentrum unseres Sonnensystems stehen, würde er fast die Bahn des innersten Planeten Merkur ausfüllen.

Es handelt sich demnach um einen Stern, der eine gigantische Oberfläche besitzt und zudem noch sehr heiß ist. Beides sorgt dafür, dass eine gewaltige Menge Licht abgestrahlt wird. Aus diesem Grunde ist Rigel trotz der Entfernung selbst mit bloßem Auge sichtbar. Seine scheinbare Helligkeit beträgt 0,13 mag, als pulsierende Variable im Bereich zwischen 0,05 und 0,18 mag. Damit leuchtet Rigel ungefähr 40.000 Mal heller als die Sonne. Rigel selbst hat ein derartig starkes Leuchten, dass selbst der rund 20 Lichtjahre entfernte Hexenkopfnebel von diesem Leuchten profitiert und „angestrahlt“ wird.

Rigel ist ein Mehrfachsternensystem

Durch die Arbeiten von G.W. Struve zu Doppelsternen wurde bekannt, dass es sich auch bei Rigel um ein Mehrfachsystem handelt. Dies wurde 1831 anerkannt. Rigels (Rigel A) Begleiter Rigel B befindet sich in einem Abstand von 9,5 Bogensekunden (2.200 Astronomische Einheiten). Er ist ebenfalls bläulich-weiß (Spektralklasse B9V) und hat eine scheinbare Helligkeit von 6,67 mag. Damit liegen zwischen Rigel A und Rigel B sieben Größenklassen, die Helligkeit ist rund 500 Mal schwächer. Aufgrund dieser Ursachen und des Abstandes ist Rigel B nicht mit bloßem Auge zu erkennen. Es ist ein Teleskop mit einem Objektivdurchmesser von mindestens 15,0 cm erforderlich.

Rigel B ist mit rund 10.500 K etwas kühler als Rigel A, hat aber insgesamt eine Masse, die unsere Sonne um den Faktor 3,84 übersteigt. Es wird angenommen, dass Rigel A und Rigel B eine Orbitalbewegung um ihren gemeinsamen Schwerpunkt haben. Wird berücksichtigt, dass beide Sterne vergleichbare Eigenbewegungen haben, würde die Umlaufzeit rund 18.000 Jahre betragen.

Allerdings handelt es sich bei Rigel nicht nur um einen Doppelstern. Durch spektroskopische Untersuchungen wurde erkannt, dass auch Rigel B einen Begleiter hat, Rigel C. Rigel C hat eine vergleichbare Leuchtkraft und dieselbe Spektralklasse wie Rigel B, ist allerdings etwas kleiner. Seine Masse hat die 2,94-fache Sonnenmasse. Sie umkreisen sich alle 9,86 Tage. In einer Entfernung von rund 10.000 Astronomische Einheiten existiert noch ein weiterer Begleiter, Rigel D. Er ist mit Abstand der Kleinste der vier Sterne: halb so groß, wie die Sonne, halbe Sonnenmasse, Oberflächentemperatur von 4.000 K und damit kühler als die Sonne. Er hat eine scheinbare Helligkeit von 15,4 mag und gehört der Spektralklasse K7 mit rötlichem Leuchten an. Ob Rigel D in tatsächlich physikalischer Beziehung zu den anderen steht, ist allerdings unklar. Insgesamt stellt Rigel demnach ein Vierfachsystem dar

Steht Rigel vor einer Supernova?

Rigel verwendet Wasserstoff als Brennstoff in seinem Kern. Aufgrund seiner gewaltigen Masse und Helligkeit wird geschätzt, dass Rigel zu Beginn annähernd 30 Sonnenmassen hatte (heute: 24 +/- 3). Die Differenz hat er durch Wasserstoffverbrauch innerhalb der letzten 8 oder 9 Millionen Jahre verloren. Dies bedeutet in letzter Konsequenz, dass Rigel sich in der Endphase seiner insgesamt kurzen Existenz befindet. Er entwickelt sich nun zu einem roten Überriesen, ähnlich, wie es Beteigeuze ist.

Genauere Angaben, wie schnell sich sein Ende nähert, sind nicht möglich. Zum einen ist seine genaue Evolution nicht bekannt, zum anderen muss ein Stern nicht zwingend den Status des roten Überriesen erreichen, um in einer Supernova zu vergehen. Selbst blaue Sterne können direkt ihr Sternenleben durch eine Supernova beenden.

Bei Rigel wird es sich voraussichtlich um eine Typ-II-Supernova handeln. Diese tritt bei Sternen auf, bei denen Wasserstoff beteiligt ist und die die 8 bis 40-fache Sonnenmasse haben. Letztlich kommt es während der Supernova zu einem schnellen Kollaps des Kerns verbunden mit einer gewaltigen Explosion.

Eine solche Supernova wäre auch auf der Erde ein sichtbares Spektakel. In der auf der Nordhemisphäre sichtbaren Zeit wäre diese Supernova deutlich, wie ein teilweiser Vollmond sichtbar, bis der Stern endgültig aus dem Sichtfeld verschwindet. In den Sommermonaten käme es dem kurzzeitigen Effekt einer zweiten Sonne gleich. In jedem Fall würde diese Supernova bedeuten, dass dem Blick in den Nachthimmel ein strahlender Gigant verloren geht.